von Reinhard Jödicke
Niedersachsen mit seinem teils wintermilden atlantischen Klima bietet Ceriagrion tenellum gute Lebensbedingungen, was sich im jüngsten, durch Klimaerwärmung geprägten Zeitraum noch weiter verstärkt hat. Gemeinsam mit den Niederlanden, Nordbelgien und Südengland bildet Niedersachsen die nördlichste Verbreitungszone im atlantisch-westmediterranen Gesamtareal der Art. Die Verbeitungskarte lässt eine nahezu ausschließliche Besiedlung des Tieflandes erkennen. Nur aus dem Naturraum Weser-Leinebergland gibt es vereinzelte Nachweise, während die Marschen und das sonstige Hügel- und Bergland unbesiedelt sind.
Das niedersächsische Tiefland ist Deutschlands moorreichste Gegend. Hier nutzt C. tenellum ein breites Spektrum verschiedener Moorgewässer sowie sonstiger dystropher Gewässer und vermehrt sich vor allem in den wiedervernässten Relikten der Geesthochmoore in manchen Jahren in hoher Abundanz. Im westlichen Tiefland handelt es sich überwiegend um stehende Gewässer. Im kontinentaleren östlichen Tiefland waren die Vorkommen ursprünglich auf von Mineralbodenwasser durchströmte Heidemoore und vermoorte Quellbereiche und Oberläufe von Bächen begrenzt, etwa seit Ende der 1990er Jahre tritt C. tenellum dort ebenfalls an Stillgewässern auf. Die Art streut weit um die Brutgewässer und zeigt dabei ein erhebliches Ausbreitungspotential, das ihr bis vor kurzem nicht zugetraut wurde. Aktuelle Kartierungen haben gezeigt, dass die Fundortdichte wesentlich höher sein dürfte, als das auf der Verbreitungskarte zum Ausdruck kommt. Das gilt vor allem für das westliche Tiefland, wo die Art vermutlich an kaum einem potentiellen Gewässer fehlt.
Die Hauptflugzeit erstreckt sich von Mitte Juni bis Ende August, doch schlüpfen die ersten Tiere in warmen Jahren bereits in der letzten Maidekade, während gezielte Nachsuchen im Herbst gezeigt haben, dass ein Ausharren einzelner Individuen bis Mitte Oktober möglich ist. Eine sichere Bestimmung ist mit ein wenig Erfahrung leicht möglich: Ceriagrion tenellum hat nie Postokularflecken, dafür immer rötliche Beine (gilt auch für juvenile Tiere), eine Kombination, die es bei keiner anderen bei uns vorkommenden Art gibt. Weibchen treten in verschiedenen Farbmorphen auf. Rote Weibchen (f. erythrogastrum) überwiegen im Westen Niedersachsens, schwarz-rote (f. typicum) im Osten, während schwarze (f. melanogastrum) im ganzen Gebiet selten sind. Diverse Übergangsformen zwischen roten und schwarz-roten Weibchen werden unter dem Begriff f. intermedium zusammengefasst und sind auch bei uns zu finden.
Text veröffentlicht am 25.02.2015
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